Die Mike ist ein Tauchbad zur Wiederherstellung ritueller Reinheit. Dazu bedarf es nach dem Religionsgesetz „lebendigen“, also fließenden Wassers. Mikwen finden sich daher in Europa meist in der Nähe von Fließgewässern und folglich an Standorten mit niedrigem Grundwasserspiegel. Entgegen der landläufigen Bezeichnung als Frauenbad – die auch weitgehend heutiger orthodoxer wie reformjüdisch-feministischer Praxis entspricht – sind Mikwen ursprünglich durchaus nicht nur Einrichtungen für geschlechtsreife (Ehe-)Frauen, die hier nach Menstruation oder Entbindung ihre rituelle Unversehrtheit wiederherstellen. Vielmehr waren ursprünglich auch Männer dazu aufgefordert, sich vor dem Schabbat oder dem Versöhnungsfest Jom Kippur durch ein Ganzkörper-Tauchbad rituell zu reinigen. Selbst unrein gewordenes Geschirr kann in der Mikwe „gekaschert“, also durch eine Waschung wieder koscher gemacht werden. Auch nach dem Kontakt mit Toten und vor der Hochzeit war beiden Geschlechtern der Besuch der Mikwe angeraten. Noch heute gelten diese Verpflichtungen im ultraorthodoxen Bereich und für Thoraschreiber. Ansonsten ist der Besuch der Mikwe aber tatsächlich längst Frauensache – im Reformjudentum teils mit der feministisch inspirierten Tendenz zum Kommunikationsraum für jüdische Frauen. Sie scheint in der Beschilderung der Freudentaler Mikwe Pate gestanden zu haben.
© Steffen Pross