Das heutige Freudentaler Rathaus wurde 1810/11 unter König Friedrich als sogenannter Prinzenbau für die Angehörigen der königlichen Familie gebaut und gehörte folglich, wie die Kaserne gegenüber, zum Schloss-Ensemble. Später diente das Gebäude als Rat- und Schulhaus. Während das Bürgermeisteramt bis 1963 im Erdgeschoss untergebracht war, befand sich die Schule im Obergeschoss und hatte an der Westseite einen eigenen Aufgang. Außerdem war eine Lehrer-Wohnung im Haus untergebracht. 1972 wurde das Gebäude grundlegend renoviert und als Rathaus umgestaltet. Heute befinden sich die Amtsstuben der Gemeindeverwaltung und der Ratssaal im Obergeschoss.
Von 1933 bis nach 1945 war das Gebäude Schlossplatz 1 Tatort: Der Freudentaler Hauptlehrer und NSDAP-Ortsgruppenleiter Ludwig Bauer untergrub von hier aus Karriere und Lehrtätigkeit seines jüdischen Kollegen Simon Meisner, er hetzte im lokalen NS-Blatt gegen die Freudentaler Juden, vertrieb die jüdischen Kinder aus seiner Schule und führte vom Rathaus aus die Auschreitungen des 10. November 1938 an. Bürgermeister Paul Schwarz stellte die organisatorischen Weichen für den Novemberprogrom. Er betrieb von Amts wegen die „Arisierung“ des Immobilienbesitzes der Freudentaler Juden und die örtlichen Vorbereitungen für die Riga-Deportation vom 1. Dezember 1941. Das Rathaus, heute der Ort einer demokratischen kommunalen Selbstverwaltung, war so während der NS-Diktatur die Zentrale der Ausraubung der Freudentaler Juden und die erste Station auf ihrem Weg in den administrativ organisierten Massenmord.
Im November 2001 wurden anlässlich des 60. Jahrestages der Riga-Deporation auf dem Platz vor dem Rathaus zwei Gedenksteine enthüllt, die an die verfolgten und ermordeten Freudentaler Juden erinnern. Die dort gemachten Angaben entsprechen teilsweise nicht mehr dem Stand der Forschung. Dies gilt auch für weitere Gedenktafeln, die seit 1988 an mehreren Stellen des Dorfes angebracht wurden.
© Steffen Pross