Die Lage zwischen Rat- und Pfarrhaus könnte für dörfliche Verhältnisse kaum prominenter sein. Und tatsächlich war der Pferdehändler Leopold Wertheimer ein wohlhabender und angesehener Mann. Sein Haus in der Hauptstraße 3 verfügte über einen Telefonanschluss. Das war in den 1930er Jahren noch eine Seltenheit in Freudental, nur zwei weitere Juden hatten ebenfalls schon Telefon: Wertheimers Schwester Ernestine Levi und der als erfolgreichster Viehhändler am Ort geltende Julius Jordan. Außerdem stand Leopold Wertheimer seit 1931 der Jüdischen Gemeinde vor – zu deren sukzessiver Liquidation er seit 1933 gezwungen war. Die Lage direkt neben dem Rathaus musste nun problematisch scheinen: Wertheimer agierte stets unter den argwöhnischen Augen von Bürgermeister Paul Schwarz und NSDAP-Ortsgruppenleiter Ludwig Bauer.
Zu spüren bekam das vor allem Leopold Wertheimer Sohn Sigbert, ein reisender Textilhändler, der sich permanenter persönlicher Hetze in der lokalen NS-Presse ausgesetzt sah – insbesondere, nachdem der couragierte „arische“ Kutscher Hermann Hofmann im April 1935 den Leichenzug zur Beisetzung von Leopold Wertheimers Frau Fanny zu einer Blamage für die örtlichen NS-Führer hemacht hatten. Schließlich gaben die Wertheimers auf: Der Senior zog sich im Herbst 1938 nach Sontheim ins jüdische Altersheim Wilhemsruhe zurück, Sohn Sigbert und seine Schwester Hedwig emigrierten im März 1939 in die USA. Es gelang ihnen ein Jahr später, auch ihren Vater nach New York nachzuholen. Das Freudentaler Haus sowie Mobiliar und Hausrat wurden deutlich unter Wert „arisiert“. Sidonie Wertheimer, die älteste der drei Geschwister, konnte sich aus Talheim mit ihrer Familie ebenfalls in die USA retten. Ins rettende Exil entkamen ferner Leopold Wertheimers Brüder Emil und Siegfried sowie seine Schwester Berta Löwenstein. Ermordet wurden seine Gewschwister Ernestine Levi, Nanette Weil und Julius Wertheimer. Die Schwester Julie Schwarzwälder starb kurz vor der ersten Deportation aus Württemberg im Oktober 1941 in Heilbronn.