Die Treppe zur Haustür in der Schlossstraße 7 war dier Bühne, auf der der Viehhändler Salomon Stein und seine Familie ihr Privatleben wiederholt öffentlich inszenierten: Immer wieder entstanden hier, an der Grenze von Innen- und Außenwelt, Gruppenfotos von Familienzusammenkünften. Denn als der Hausherr 1931 starb, hatten mehrere seiner Kinder nicht nur ihr Elternhaus, sonden auch Freudental bereits verlassen.Der älteste Sohn Ludwig Stein hatte in Bietigheim ein Wäsche- und Strumpfwarengeschäft eröffnet, sein jüngerer Bruder Irwin war ins Textilwarengeschäft seines Schwiegervaters in Neidenstein eingestiegen und Tochter Zilli hatte sich in Weiden in der Oberpfalz mit dem Kaufmann Ludwig Rindsberg verheiratet, Betti arbeitetet nach dem Tod ihres Vaters in Heilbronn, Frankfurt und Sontheim. Lediglich Josef Stein, der das väterlich Geschäft übernommen hatte, blieb mit seiner Familie und Mutter Sara im elterlichen Haus.
Dieses blieb trotzdem der Mittelpunkt des Familienlebens, viele Fotos zeugen von offenbar regelmäßigen Treffen des gesamten Clans in der Schlossstraße. Doch der ökonomische Druck der Nationalsozialisten sprengte diesen Zusammenhalt. Ludwig Steins Bietigheimer Textilgeschäft wurde ebenso „arisiert“ wie der Betrieb Irwins in Neidenstein, Josef Stein verlor seine Konzession als Viehhändler. Im Frühjahr 1938 schlossen sich Betti, Julius und Irwin Stein mit ihren Familien, vermutlich auf Vermittlung von Wolf Berlinger, wie einige weitere Freudentaler der Gruppe Rexinger Juden an, die in Palästina die schwäbische Genossenschaftssiedlung Shavei Zion gründeten, Zilli Rindsberg emigrierte mit Mann und Tochter in den New Yorker Stadtteil Washington Heights. Um den Einkauf in die jüdische Siedlergruppe in Palästina zu finanzieren, musste das Haus in Freudental Anfang 1938, in dem Sara Stein nun allein gewesen wäre, verkauft werden. Sie kam zunächst im Israelitischen Landesasyl Wilhemlsruhe in Sontheim unter, brach mit ihren fast 69 Jahren aber psychisch zusammen. Sie hatte danach keine dauerhafte Bleibe mehr. Auch Ludwig Stein, der bis dahin versucht hatte, von Stuttgart aus ein neues Heim für seine Mutter zu finden, flüchtete im November 1939 nach Washington Heights.

© Steffen Pross

Strombergstraße 7
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